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Schwäche ist inakzeptabel

21.01.2014 23:16
"Du darfst nicht schwach sein. Nicht vor ihnen." dachte er. Seine Eltern hatten ihn grade beinahe zum weinen gebracht. Er hatte Tränen in den Augen und seine Mundwinkel zuckten. Er versuchte ruhig zu wirken. Seine Stimme blieb zum Glück ganz normal. Normalerweise wurde sie zu einem verkrüppelten Schatten ihrer selbst wenn er flennen musste aber diesmal nicht. Der Grund für seine Emotionen waren seine Eltern. Sein Vater hatte ihm grade einen Vortrag darüber gehalten, dass es mit den schlechten Noten so nicht weiter ginge. Er tat das wie er es immer tat. Nicht laut, nicht beleidigend. Ernst und belehrend. Er versuchte ein schlechtes Gewissen in ihm wach zu rufen aber das hatte er schon lange abgelegt. Seine Mutter hatte wie immer nur ein paar kleinere Kommentare abgegeben. Sie hatte nicht viel Ahnung von dem was der Vater da sagte. Sie versuchte bloß seine Argumente glaubhafter klingen zu lassen und das funktionierte ganz gut. Er war enttäuscht von seinen Eltern. Er hatte gedacht sie würden ihm vertrauen. Darum war er kurz davor nach zu geben und die Tränen fließen zu lassen. "Nein", hallte es in seinem Kopf. Er biss sich in die Wange. Die Tränen ebbten ab allerdings blieb das zucken seiner Mundwinkel noch eine Weile. Er schaute auf die verhaune Arbeit. Eine 6. Wie immer in Latein. Dann schaute er seinen Vater an. Frust war das einzige was er spührte. Aber es war schon in Ordnung. Wenigstens musste er jetzt nie wieder jemandem vertrauen. Und es gab auch niemanden mehr mit dem er reden könnte wenn er traurig war. Von jetzt an würden ihn immer alle als kühl und stark sehen. Und genau das wollte er. Er verließ das Wohnzimmer und ging ins Badezimmer um in den Spiegel zu schauen. Seine Augen waren leicht gerötet. Hatten seine Eltern das gemerkt? Hoffentlich nicht. "Weinen ist einfach nicht dein Stil. Du musst die Trauer austauschen durch Wut." Ja, die Stimme in seinem Kopf hatte wohl mal wieder Recht. Wut und Schmerz. Daraus bestand sein Leben und er wusste nicht warum. Sicherlich gab es Menschen denen es viel schlechter ging als ihm. Seine Eltern schienen ihn zu lieben, es gab immer genug essen und trinken sie hatten ein Haus und er selber hatte viele Freunde. Aber da war immer diese unbändige Wut in ihm. Und der Selbsthass der seit der Grundschule stark zu genommen hatte. Genau wie er selber. Er bezeichnete sich immer als Fett auch wenn die anderen meinten er sei "Normal". "Normal"...ein schreckliches Wort. Man sollte ihn nicht als normal bezeichnen. Er hatte sich eine Maske zugelegt die er jeden Tag trug. Diese Maske mochte vielleicht normal aussehen aber er selbst tat dies nicht. Er hatte einen kaputten Verstand und eine noch viel kaputtere Fantasie. Er hätte schon lange zu einem Psychologen gehen können aber das hätte nur Schwäche gezeigt und das er mit sich selbst unzufrieden war aber genau das durfte niemand je merken. Niemand. Er schaute wieder in den Spiegel. Die Augen sahen wieder normal aus und auch die Mundwinkel hatten sich beruhigt. "Du darfst nie wieder schwach sein.", dröhnte es in seinem Kopf. Er lächelte, nahm ein Messer, so wie er es immer tat, schnitt sich in den Arm und schwor bei der Narbe die entstehen würde, dass er nie wieder Schwäche zeigen würde. Denn Schwäche ist inakzeptabel.