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Er hatte es schon lange gewusst

11.05.2014 02:33

Er hatte schon lange gewusst, dass er das hier tun würde. Schon sehr lange. Um genau zu sein, seit 6 Jahren. Ihm war im Alter von 14 nämlich eines klar geworden: Er war nicht dazu bestimmt, alt zu werden. Es war einfach nicht sein Ding. Er wusste, dass es nach seiner Schulzeit mit ihm nicht mehr so weiter gehen würde. Sein Kopf und seine Gedanken, sie passten einfach nicht in diese Welt. Und er würde niemals überleben, mit einer schwierigeren Aufgabe als in der Schule zu sitzen und mit seinen Freunden zu reden. Auch seine Freunde würde er nicht mehr jeden Tag sehen. Eigentlich war es ja schade. Er hatte ein schönes Leben gehabt, bis jetzt. Nun ja, natürlich waren da schon einige Sachen die ihm das ganze vermiesten. Er hatte oft über den Tod nach gedacht, vor allem über seinen eigenen. Und irgendwann hatte er dann angefangen Stimmen zu hören und sich verfolgt zu fühlen. Er vertraute niemandem mehr wirklich und dafür hatte er auch Gründe. Er hatte 2 mal jemandem ein Geheimnis verraten und beide Male wusste es danach die ganze Klasse. Zwei schmerzhafte Erfahrungen, die ihn geprägt hatten. In den Fernseh-Dokus zeigen sie immer Blonde, gut aussehende Teenagerinnen, die mit Engelsstimmen über ihre Suizidversuche berichteten. Er hatte sich immer gewünscht, so ein Mädchen zu kennen. Nun ja, mit ihm würde wenigstens keiner Mitleid haben. Er war einer von den wenigen, die von sich behaupten hässlich zu sein weil sie es wirklich sind. Niemand nahm so jemanden wie ihn ernst und schon gar nicht, wenn er sich umbringt. Ein Strick sollte das ganze beenden, er bevorzugte es klassisch. Er fragte sich, was wohl die anderen denken werden. Seine Freundin zum Beispiel. Irgendwie, tat es ihm weh das niemand bemerkt hatte, wie schlecht es ihm all die Jahre ging. Nicht einmal sie, die ihm so nah gewesen war. Andererseits musste er auch lächeln. Er hätte wohl Schauspieler werden können, oder sowas. Zu erst wollte er keinen Abschiedsbrief schreiben, hatte sich dann aber in letzter Sekunde doch dafür entschieden. Aber er wollte keinen "normalen" Abschiedsbrief. Das wäre ganz einfach nicht seine Art. Er war nie Normal gewesen. Er wollte einen Brief schreiben, den man erstens gut lesen konnte und durch den zweitens alle verstehen würden, warum er sich erhängte. Ein hartes Stück arbeit, aber er versuchte es und entschied sich dazu, dass ganze aus der Perspektive eines Erzählers zu schreiben. Wie eine Geschichte. Vieles ging ihm, während er den Brief schrieb, durch den Kopf. Kaum einer würde ihn vermissen. Bald schon würde er in Vergessenheit geraten. Er fand es traurig. Ja, er fand seinen eigenen Tod traurig aber anderer Seits auch angenehm. Ja, irgendwie freute er sich schon. Nach all den Jahren endlich einen Schlussstrich ziehen und das ganze beenden. Er hatte lange gewartet. Lange genug. Jetzt war Schluss.